06. September 2012
Treffen mit Betty Matamoros, einer Aktivistin der Insurrectas Autónomas. Letztere sind ein Frauenorkollektiv, dass sich zur außerparlamentarischen Strömung Refundación zählt.
Betty gab uns zuerst einen kurzen Abriß über die Geschichte während und nach dem Putsch von 2009. Speziell ging es um den Vertrag von Catagena, in dem Ex-Präsident Zelaya unterschieb, den außerparlamentarischen Widerstand in einer Parteistruktur zu überführen. Dies war Bedingung für seine Rückkehr aus dem Exil. Allerdings führte dies zur Spaltung der Widerstandsbewegung. Auf die Frage, ob sie die Partei LIBRE, die aufgrund dieses Vetrages aus der Widerstandsbewegung entstand, trotzdem wählen würde, sagte sie ja. Sie fürchte, falls LIBRE die Wahlen nicht gewinnen sollte, würde Honduras den Weg von Kolumbien gehen.
Ein weiteres Thema war die starke Einmischung der USA in die honduransiche Politik. Allein 4 feste Militärbasen stehen in dem kleinen aber geostrategisch wichtigen Land. Die jüngeren Militärbasen seien unter dem Vorwand der Drogenbekämpfung entstanden, dienten jedoch eher dazu Venezuela, Kuba und die weitere Region im Auge behalten zu können. Die damalige Forderung von Zelaya, Drogen zu legalisieren, findet bei ihr jedoch trotzdem keinen Anklang. Zu groß ist ihre Sorge, der eh schon starke Einfluss der Drogenbarone auf Politik und Staat könnte sich noch intensivieren, wenn sie nicht mehr verdeckt arbeiten müssen.
Mittagessen mit Ariel Sosa
Das Mittagessen fand im alternativen Café Paradiso statt. Mit dabei war der Fotograf Ariel Sosa, der während der Zeit des Putsches die Geschehnisse in Bildern festhielt. Er ist ein weiteres Mitglied der Artistas en Resistencia. Besonders hob er heraus, dass moderne Kunst in Honduras nicht gefördert wird. So gibt weder einen Studiengang, noch finanzielle Unterstützung für Künstler_innen in irgendeiner Form. Alle Künstler, die keine „klassische Kunst“ machen, sondern ihre eigene Ausdrucksform finden möchten, sind Autodidakten. Oder aber sie können im Ausland studieren. Nur kämen sie dann nicht wieder, sagte er mit einem schiefen Lächeln. Auch gibt es so gut wie keine Ausstellungen oder Galerien. Eine der wenigen Ausnahmen bildet die MUA (Mujeres en Arte), eine Ausstellungshalle in Tegus. Ein großes Kunstevent im September wird jedoch die Biennale sein. Eine Austellung zeitgenössischer Kunst in der sonst eher drögen Galeria Nacional de Arte und dem Museo de la Identidad National.
Treffen mit Bertha Oliva von COFADEH
Bertha ist Direktorin von COFADEH, ihr Mann selbst gilt als verschwunden. Die Organisation wurde 1982 gegründet, um das Schicksal der Verschwundenen zu klären. Heute stellt COFADEH die wichtigste Menschenrechtsorganisation des Landes dar. Allerdings wird auch weiterhin nach geheimen Gräbern der in den 80er Jahren Verschwunden gesucht.
Berta beurteilt die politische Situation in Honduras seit dem Putsch als kritischer als je zuvor seit Ende der Militärdiktatur, die 1982 mit dem Übergang zur Demokratie geendet hat:
So wurden mindestens 26 Journalisten ermordet. Die Zahl der Morde an Frauen hat enorm zugenommen, dies wird offiziell damit begründet, dass Frauen verstärkt Drogen schmuggeln. Laut Bertha handelt es sich bei den Morden um Hassmorde an Frauen. Darunter fallen immer häufiger auch Morde an organisierten und/oder lesbischen Frauen. Schwule und Lesben werden komplett vom öffentlichen Leben ausgeschlossen.
Des Weiteren haben organisierte Jugendliche mit Repressalien zu rechnen. Lehrer werden verstärkt verfolgt, 19 wurden getötet. Allein in Bajo Aguan wurden mindestens 67 Campesinos ermordet. Viele Campesinos wurden und werden durch Militär und Polizei sowie private Sicherheitsdienste von Großgrundbesitzern vertrieben.
Dringend benötigt werden Internationale Beobachter_innen und finanzielle Ressourcen um direkte Hilfe für Vertriebene auszubauen!
Direkt im Anschluss nahmen wir an einem Forum teil, das für eine Radiosendung aufgezeichnet wurde. Die Sendung ist von der Widerstandsbewegung und hat ein offenes Konzept. Sie steht dann allen kommunitären Radios in Honduras zur Verfügung. Interessenten kommen zur Aufzeichnung, um sich über Themen des Widerstands zu informieren und darüber zu diskutieren.
Thema des Forums an diesem Tag: „Estrategia Militar para Honduras y Reaccion ciudadana“ (Die Militärstrategie in Honduras und die Antwort der Zivilgesellschaft). Podiumsgäste waren Lisa Sullivan (School of the Americas Watch SOA-W) und Berta Oliva (COFADEH), die ihre Einschätzungen zur Militärstrategie für Honduras gegeben haben.
Zur Lage im Land wurden folgende Aussagen getroffen:
Das Militär wird immer präsenter – zunehmend werden Regionen militarisiert- und übernimmt zunehmend zivile Funktionen; hohe ex-Militärs übernehmen öffentliche Ämter. So werden auch staatliche Posten „militarisiert“. Dadurch werden die Verantwortlichkeiten für Morde und Menschenrechtsverletzungen immer unklarer.
Das neue Sicherheitsgesetz lässt keinen Raum für freie Meinungsäußerung. „Wer offen spricht kann schnell als Terrorist bezeichnet werden“, konstatiert Bertha Oliva. Die Überwachung der Bevölkerung wird immer stärker.
Wir wurden vom Moderator zur Rolle der EU und ihren Interessen an Honduras befragt. Die Vorgehensweise der EU im Gegensatz zur USA istdabei nicht so offensiv und offensichtlich aber dennoch stark von wirtschaftlichen Interessen geleitet. Benutzt werden gern Schlagworte wie „Entwicklungszusammenarbeit“. Das PASS-Programm der EU unterstützt z.B. mit Geldern den Ausbau des honduranischen Justiz- und Polizeiapparates, der nach dem Putsch für die desaströse Menschenrechtslage in Honduras verantwortlich ist. Berta äußerte abschließend, dass die öffentliche Debatte über die Situation im Land für die Zukunft Honduras von größter Bedeutung ist.