September 2010

Die öffentliche Wahrnehmung von Albanien im Westen ist durchzogen von rassistischen Klischees. Kaum ein Land ist so unbekannt und vermutlich gerade deshalb Projektionsfläche für Bilder eines chaotischen und vermeintlich archaischen Landes.

Auf dieser Reise werden wir uns mit den Lebensbedingungen der Bevölkerung 18 Jahre nach Zusammenbruch des kommunistischen Systems beschäftigen. Wir werden uns mit verschiedenen historischen Themen und aktuellen Schwerpunkten auseinandersetzen, wie z. B. der Geschichte des Widerstandes der Partisan_innen, der gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation von Roma, der Menschenrechtslage, sowie den herrschenden Geschlechterverhältnissen und der Repression gegen Homosexualität.

Albanien war von 1939-1944 von italienischen und deutschen Truppen besetzt.
Der Widerstand gegen die italienische (seit 1943 deutsche) Besatzung des Landes erfolgte durch miteinander rivalisierende Partisanengruppen. Es gab monarchistische, nationalistisch-republikanische und kommunistische Einheiten. Zur Jahreswende 1943/44 konnte sich jedoch die 1941 gegründete Kommunistische Partei Albaniens gegen die Nationalisten_innen durchzusetzen. Wie in Jugoslawien gelang es den albanischen Partisanen_innen, ihr Land ohne die Hilfe alliierter Truppen zu befreien. Auf dieser Reise werden wir uns mit ehemaligen Partisan_innen in Tirana treffen. Auch in Gjirokastra, einer Stadt im Süden Albaniens, begeben wir uns auf die Spurensuche nach der deutschen Besatzung und des Widerstands dagegen.

Die kommunistische Partei regierte Albanien von 1945 bis 1990. Wir werden versuchen, uns mit Mitgliedern der kommunistischen Partei zu treffen, um in eine kritische Auseinandersetzung über das damalige politische System zu treten.

1990 erfolgte der Sturz des kommunistischen Systems. Der anschließende Transformationsprozess verlief zunächst nur schleppend und brachte keine Verbesserung für die Lebensbedingungen der Bevölkerung. Dies führte zu einer Massenauswanderung, zahlreiche Albaner_innen versuchten, per Schiff über Italien die Grenzen des Westens zu überwinden. Das Thema Migration wird ein weiterer Schwerpunkt auf der Reise sein. Der postkommunistische politische und wirtschaftliche Transformationsprozess scheiterte weitgehend.
Nach Kreditbetrugsfällen erschütterten von 1996 bis 1997 im großen Maßstab Unruhen das Land, der sogenannte Lotterieaufstand. Im März 1997 brachen die staatlichen Strukturen außerhalb der Hauptstadt völlig zusammen und es herrschten bürgerkriegsähnliche Zustände. Unter OSZE-Aufsicht wurden anschließend Wahlen abgehalten. Danach stabilisierte sich die Lage. Immer noch hat Albanien jedoch große ökonomische Probleme und eine hohe Arbeitslosigkeit, und weite Teile der Bevölkerung sind von Armut und Verelendung betroffen. Um mehr über die geschlechtsspezifischen Auswirkungen der Armut zu erfahren, werden wir uns mit der größten Frauen-NGO, der „Women For Equal Rights“ in Tirana, treffen.

Das politische System ist nach wie vor sehr instabil und geprägt durch Klientelwirtschaft und Korruption.
Diese Struktur produziert Ausschlüsse, von denen Roma besonders betroffen sind, daher werden wir uns mit dem Dachverband der Roma treffen. Die Situation von Romafrauen ist besonders problematisch, da sie zum einen als Roma einer speziellen Diskriminierung unterliegen, zum anderen als Frauen innerhalb der Roma-comunity besonders patriarchalen Traditionen ausgesetzt sind. Daher werden wir uns in der Stadt Elbasan mit Romafrauen treffen, die sich in einem eigenen Interessensverband organisiert haben.

Um die aktuelle menschenrechtliche Lage und zivilgesellschaftliche Prozesse kennenzulernen, besuchen wir die Menschenrechtsgruppe „Mjaft“ in Tirana.

Homosexualität ist in Albanien nach wie vor starker Repression  ausgesetzt, wir werden versuchen uns mit Schwul-Lesben-Transgender-Aktivist_innen zu treffen.
Teamerin: Susanne

Der Teilnahmebeitrag wird ca. 500 bis 600 Euro betragen (abhängig von der Förderung).

Diese Reise ist offen für alle.

Für diese Veranstaltung wird die (sehr wahrscheinliche) Anerkennung als Bildungsurlaub nach dem Berliner Bildungsurlaubsgesetz beantragt.

Infos und Anmeldung: albanien (ett) iak-net.de

Albanien – Zwischen Balkanromantik und rassistischen Klischees
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Ein Kommentar zu „Albanien – Zwischen Balkanromantik und rassistischen Klischees

  • 3. August 2009 um 18:22 Uhr
    Permalink

    Finde das Projekt „gegen die Klischees“ sehr interessant. Zwar weiss ich noch nicht, ob ich in der Zeit in Tirana sein werde, aber am sonsten würde ich mich auf ein Treffen mit Ihnen sehr freuen.
    Herzliche Grüße

    Jonila Godole
    Autorin und Journalistik-Dozentin Universität Tirana

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