Am letzten Septembertag trafen wir die Grupo Fanny, die von Deborah Alvarez geleitet wird, mit welcher wir zwei Tage später durch einige Clubs der Stadt zogen. Die Organisation besteht seit 2006, primär um für die Rechte von Sexarbeiter_innen einzutreten und deren allgemeine Lebenslage zu verbessern. Der Fokus lag damals auf Transgender-Menschen und Schwulen, der Arbeitsbereich wurde in der Folge auf die gesamte LGBTIQ-Kultur ausgeweitet. Momentan hat die Gruppe acht Mitarbeiter_innen, die große Mehrheit arbeitet hauptberuflich anderswo. Nicht alle sind selbst Transsexuelle.
Seit ihrer Gründung engagierte sich die Organisation bereits in zahlreichen Projekten, darunter neben der Verteidigung von Menschenrechten auch HIV/AIDS-Aufklärung in Schulen, die laut Deborah auf äußerst positive Rückmeldung stößt. Durch dieses Vorhaben erhält Grupo Fanny nicht nur finanzielle Mittel, sondern kann indirekt für mehr Akzeptanz gegenüber Transgender-Frauen und -Männern werben. Aktuell gehört erstere zu den Mitstreitenden eines seit 2010 existenten weltweiten Projekts, das mit dem Ziel der Verringerung der AIDS-Rate zu Geschlechtsverkehr unter Männern arbeitet. In diesem Kontext musste eine enorme Anzahl an Tests und Interviews mit Partizipierenden durchgeführt werden, was durch die Tabuisierung des Themas in Mexiko zusätzlich erschwert wurde. Auch hier spricht die Gruppe von einem großen Erfolg, infolgedessen eine Ausweitung ihrer Verantwortung auf die Stadt Chihuahua stattfand. 2012 sollte die Maßnahme in Mexiko auslaufen, allerdings konnten die 58 beteiligten nationalen Organisationen eine Verlängerung für ein Jahr erreichen. Als überlebenswichtig bezeichnet Deborah nicht nur vor diesem Hintergrund die Vernetzung mit und Unterstützung von anderen Zusammenschlüssen, insbesondere „Reodisexs“.
Die Räume von Transgender-Menschen in Juárez haben sich während des Bestehens von Grupo Fanny sehr verändert. Eine gesamte Straße, in der Sexarbeit stattfand, wurde zerstört, weshalb nur noch das Zentrum im Südosten existiert. Von ungefähr 200 Transsexuellen im Jahr 2006 sind nur noch etwa 30-40 übrig und die Fluktuation, die die Szene kennzeichnet, erschwert die Vernetzung. Die lokal erkämpften Rechte sowie gesetzliche Verhalte müssen mit jedem neuen Beamten verhandelt werden. Deborah erzählt, dass Namensänderungen in Mexiko nicht nur sehr schwer durchsetzbar seien sondern generell nicht in den Pass eingetragen werden. Durch diesen Sachverhalt ergeben sich besondere Schwierigkeiten, Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung zu erlangen. Eine ähnliche Problematik besteht in Zusammenhang mit den stark stigmatisierten HIV-Erkrankten, die unter den ehemals vorschriftlichen Gesundheitstests litten und bis 2006 nicht einmal heiraten durften.
„Ressentiments von Seiten kirchlicher Einrichtungen haben sich seit 30 Jahren nicht verändert oder verbessert“, so Deborah. Seitens der Ausgegrenzten gibt es selten den Wunsch nach Einbindung, stattdessen wendet man sich der Virgen der Transsexuellen zu.