Aus dem Blog unserer Reise nach Mexiko 2022
Von Charlotte Weber
Am heutigen Tag führt uns die Reise über die Grenze in Juárez Zwillingsstadt El Paso auf der US-amerikanischen Seite. Beim Übergang zwischen Mexiko und den USA werden wir konfrontiert mit einer Erfahrung, die für viele Menschen zur alltäglichen und weniger alltäglich Lebensrealität gehört. Einem undurchsichtigen und langwierigen Prozedere, um schließlich in die USA einreisen zu dürfen. Vor allem werden wir aber konfrontiert mit unseren Privilegien: der Freiheit zu entscheiden über die Grenze gehen zu wollen und dem Gefühl, dass schon alles gut gehen wird. Und so ist es dann auch: alle Mitglieder der Gruppe treffen sich an unserer nächsten Station, der Church of the Sacred Heart in El Paso, wieder.
Dort treffen wir den Historiker David Romo. David führt uns in die Geschichte der Beziehung zwischen den USA und Mexiko, zwischen El Paso und Ciudad Juárez ein. Während lange Zeit eine enge Verbindung zwischen El Paso und Juárez bestand (die seit dem Amerikan.-Mexikan. Krieg 1848 nicht mehr eine einzige Stadt: El Paso del Norte waren) und sich die Menschen frei zwischen beiden Städten bzw. bewegen konnten, führte die USA im Angesicht des anstehenden ersten Weltkrieges und der mexikanischen Revolution in den 1910er Jahren strengere Grenzkontrollen ein. Parallel dazu erließ der damalige Bürgermeister El Pasos ein neue Hyghienestrategie, mit der er gegen das angeblich von Läusen übertragene Typhus vorgehen wollte.
Teil dieser Strategie waren rassistische Säuberungsaktionen mexikanischer Communities in der Stadt, die u.a. den Zwang zu Kerosin- und Essigbädern beinhaltete. Auch an der Grenze wurden gewaltsame Hyghienemassnahmen auf Grundlage einer rassistischen Klassifizierung von Einreisenden vorgenommen. Als Bürger:innen zweiter Klasse stigmatisierte, oftmals mexikanische Einreisende, wurden zu Reinigungsmassnahmen in sogenannten „Desinfection Camps“ gezwungen, die Kerosin, Essig sowie Zyklon B beinhalteten – später, im Rahmen des Einsatzes mexikanischer Arbeitsmigrant:innen in der US-amerikanischen Landwirtschaft und Industrie auch hochgiftige, für die Landwirtschaft bald verbotene Pestizide – und laut David Romo auf der selben rassistischen Ideologie aufbauten, wie die Verbrechen der Deutschen Faschisten.
Doch wo Gewalt, da Widerstand. Initiiert von Carmelita Torres bildete sich ein zuerst vor allem weiblicher später auch von Männern unterstützter Protest gegen die rassistischen und nicht zuletzt sexistischen Praktiken an der Grenze. Der als „Bath Riots“ bekannte Protest legte 2 Tage den Grenzbetrieb lahm bevor er zerschlagen wurden.
Zum Abschluss dieser Zeitreise durch die US-amerikanisch-mexikanische Grenzgeschichte führt David Romo uns in einer mikrohistorischen Stadtführung durch das mexikanische Arbeiter:innenviertel „Segundo Barrio“ und erklärt uns die Bedeutung einzelner Häuser und Orte für die Mexikanische Revolution und die Geschichte von Einwanderung und Rassismus in den USA.
Mit einem Platzregen und überschwemmten Straßen, auf denen wir eher nach Hause schwimmen als fahren, endet dieser Tag mit Gedanken zu Migration, Rassismus, Privilegien und Grenzerfahrungen.