Politische Reise ca. 14.09.-05.10.2013
El Paso, USA – mit Exkursionen nach Ciudad Juárez, Mexiko
Leitung: Kathrin Zeiske & Dagmar Seybold
Über die mexikanische Grenzstadt Ciudad Juárez wurde in den Medien in den vergangenen Jahren häufig berichtet. Die Gewalteskalation im Kontext des sogenannten „Drogenkriegs“ stand dabei im Vordergrund. Andere Facetten der Stadt sowie das Engagement vieler Menschen für Frieden und Gerechtigkeit wurden dabei kaum thematisiert.
Nur wenige Meter entfernt von Ciudad Juárez, auf der anderen Seite des Rio Grande, liegt die US-amerikanische Stadt El Paso, die bis 1848 zu Mexiko gehörte. Das Stadtbild der texanischen Grenzstadt ist vor allem durch die hispanische Bevölkerungsmehrheit geprägt. In den letzten Jahren erlebte das traditionell arme El Paso einen wirtschaftlichen Aufschwung, nicht zuletzt aufgrund des massiven Zuzugs aus Mexiko angesichts der dortigen Gewaltsituation. Ein weiterer Wirtschaftsfaktor ist die US-Armee, die die Militärbasis Fort Bliss aktuell zum größten Truppenstandort der USA ausbaut.
Diese Zwillingsstädte und die Menschen vor Ort möchten wir durch die Reise näher kennenlernen. Denn trotz der streng kontrollierten US-amerikanischen Südgrenze und der restriktiven Migrationspolitik der USA ist die Grenzregion El Paso/Ciudad Juárez ein Raum der Begegnung und des Austauschs sowie Heimat vieler interkultureller und binationaler Initiativen.
Die historische Entwicklung von Ciudad Juárez steht in Zusammenhang mit der Alkoholprohibition in den USA. Über Jahrzehnte war die Stadt mit ihren unzähligen Bars, Diskotheken und Bordellen ein beliebtes Ziel für Tourist_innen und Militärangehörige aus den USA. In diesem Umfeld konnte sich auch eine attraktive schwul/ lesbisch/ transsexuelle Szene entwickeln.
Besonders seit den 70er Jahren siedelten sich u.a. US-amerikanische Billiglohn-fabriken auf der mexikanischen Seite an und Ciudad Juárez war lange trotz prekärer Arbeits- und Lebensbediungungen Anlaufpunkt für Migrant_innen aus ganz Mexiko.
Die Stadtplanung vorbei an den Interessen der Bevölkerungsmehrheit sowie Korruption und fehlende Strafverfolgung trugen dazu bei, dass Kriminalität und organisiertes Verbrechen zunehmend an Einfluss gewannen. Seit den 90er Jahren gelangte Ciudad Juárez auf Grund des Phänomens der systematischen Ermordung von Frauen zu trauriger Berühmtheit.
Die Regierungsstrategie, die Stadt zwischen 2008 und 2011 zu militarisieren, führte zu noch mehr Gewalt, einem horrenden Anstieg von Menschenrechtsverletzungen und einer weiteren Verschlechterung der Lebensbedingungen. Die entstandenen Protestbewegungen, angeführt von Müttern und Frauen, führten jedoch zu einer Stärkung und Professionalisierung der Zivilgesellschaft in Ciudad Juárez. Doch die heutige Friedensbewegung hat mit Repression und Übergriffen zu kämpfen und besonders Angehörige marginalisierter Bevölkerungsschichten geraten zwischen die Fronten des sogenannten „Drogenkrieges“.
Zehntausende Menschen haben Ciudad Juárez in den vergangenen fünf Jahren verlassen. Viele davon sind auf die US-amerikanische Seite des Rio Grande gezogen und haben dort ein “Little Juárez” im Exil aufgebaut. Denn die texanische Zwillingsstadt El Paso gilt weiterhin als eine der sichersten Städte der USA. Viele andere Menschen konnten es sich hingegen nicht leisten wegzuziehen oder haben sich bewusst dagegen entschieden. Vielseitige Initiativen der Zivilgesellschaft und alternativer Medien auf beiden Seiten der Grenze setzen der Normalisierung von Gewalt aktiv eine Kultur des Friedens entgegen. Diesen Menschen wollen wir begegnen.
Wir werden uns damit beschäftigen, welche Auswirkungen einseitige Stadtentwicklung und Gewalteskalation auf den Alltag der Menschen haben. Wenn auch die Gewaltrate in Ciudad Juárez stark zurückgegangen ist, lassen die extremen Erfahrungen Spuren zurück. Die mehreren tausend Toten der vergangenen Jahre reißen bleibende Lücken in ihre Familien und ihr soziales Umfeld.
Wie kann eine Aufarbeitung und ein gesellschaftlicher Umgang mit der Gewalterfahrung gefunden werden? Wie kann es sein, dass illegale Drogen und ihre Händler die Grenze überschreiten, dass aber nur die mexikanische Seite von Gewalt geprägt ist, während El Paso eine der Städte mit der niedrigsten Gewaltrate in den USA ist? Wie kommt es, dass das Zentrum der texanischen Stadt trotzdem menschenleer ist, während in der mexikanischen Schwesterstadt selbst zu Hochphasen der Gewalt das öffentliche Leben nie vollkommen aussetzte?
Wie gehen die Menschen vor Ort im Alltag mit den Problemlagen um, welche Strategien haben sie entwickelt? Woher nehmen sie die Kraft, sich zivilgesellschaftlich zu engagieren? Welche Träume und Hoffnungen haben Jugendliche in der Region? Wie ist die Situation von Migrant_innen auf beiden Seiten der Grenze? Wie sieht die schwul/ lesbisch/ transsexuelle Szene in Ciudad Juárez und El Paso aus? Welche Lebensrealität hat die indigene Bevölkerung der Grenzregion? Wo steht die Bewegung gegen Frauenmorde?
Ziel der Reise ist es, sich mit der von Globalisierung, Grenzregime und Drogenkrieg geprägten komplexen Realität des Grenzraums auseinanderzusetzen. Der Bezug zu Deutschland stellt sich u.a. durch deutsche Firmen, die in Ciudad Juárez von den niedrigen Produktionskosten profitieren und durch das deutsche Truppenkontingent der Bundeswehr, das in der Militärbasis von El Paso stationiert ist.
Basis unserer Reise ist El Paso/Texas. Besuche und Rundgänge sind während des Aufenthalts auch auf mexikanischer Seite geplant. Je nach Interesse der Teilnehmer_innen werden wir inhaltliche Schwerpunkte unserer Reise und Auszeiten zur Erholung und individuellen Gestaltung gemeinsam festlegen.
Preis: ca. 1.500-1.600 Euro (inkl. Flug, Unterkunft, Transport, Vorbereitung)
Das Vorbereitungsseminar findet vom 14.- 16. Juni statt (in Bonn oder Berlin).
Fragen & Kontakt: usa@iak-net.de
Leitung: Dagmar Seybold & Kathrin Zeiske
Dagmar Seybold lebte mehrere Jahre in Mexiko und arbeitete im Menschenrechtsbereich. Für CAREA e.V. organisiert sie Menschenrechts-beobachtung in Chiapas/Mexiko. Sie war seit 2006 mehrfach in Ciudad Juárez und El Paso und forschte zu Frauenmorden, Militarisierung und Medien.
Kathrin Zeiske lebt und arbeitet zwischen Deutschland und Mexiko, wo sie einige Jahre für eine Migrant_innenherberge tätig war. Heute schreibt sie als Freie Journalistin über soziale Bewegungen, Drogenkriege und globale Prozesse in Lateinamerika. http://grenzueberschreitend.blogspot.com/
http://www.herrvonboheme.de/2013/06/05/vom-freihandelsabkommen-in-ju%C3%A1rez-und-einem-norweger-der-die-indianer-rief/