Pinsel, Farben, Papierbögen, Kleister – Diese Zutaten nutzen die Perras Bravas, um durch Paste-ups ihre Forderungen sichtbar zu machen, Straffreiheit und (sexualisierte) Gewalt anzuprangern und den öffentlichen Raum mitzugestalten. Der feministische Anspruch des Kollektivs ist nicht nur im Endprodukt zu erkennen, sondern umfasst auch den Akt des künstlerischen Schaffens selbst. So hat sich das Kollektiv 2020 unter anderem mit dem Ziel gegründet, die Arbeit von FLINTA Künstler*innen im öffentlichen Raum sichtbar zu machen und der männlich dominierten Straßenkunstkultur etwas entgegenzusetzen. “Las Mujeres Somos Fuego y Ardemos!” („Wir Frauen sind Feuer und wir brennen!“), “Me Cuidan mis Amigas. No la Policia!” („Meine Freundinnen passen auf mich auf. Nicht die Polizei!“), “Mujer me gusta cuando no callas” (“Frau, mir gefällt, wenn du nicht den Mund hältst“). Feministische Kampfsprüche wie diese haben die Künstler*innen des Kollektivs mit Bildern untermauert auf die zentralen Wände des Monu Marktes gepastet.

Eine ähnliche Wand dürfen wir gemeinsam mit Poli No Police und Nayeli von den Perras Bravas am Edificio de los Sueños gestalten. Durch Workshops wie diesen möchten die Perras Bravas insbesondere Stadtviertel in den Randgebieten von Juárez erreichen und gemeinsam mit ihren Bewohner*innen durch Paste-ups und Wandgemälde die lokalen Bedürfnisse sichtbar machen. Die Lebensrealität in den südöstlichen Stadtvierteln von Juárez ist durch die Nähe zu den dort lokalisierten Weltmarktfabriken („maquilas“) geprägt, in denen ein Großteil der Bewohner*innen beschäftigt ist. Die Viertel sind mit dem Bau der maquilas seit den 1980er Jahren stetig und unproportion im Verhältnis zum sozialen und kulturellen Angebot vor Ort angewachsen. In Workshops erstellen die Perras Bravas gemeinsam mit den Teilnehmenden Wandbilder, die nicht nur das Stadtbild bunter machen, sondern auch die Forderung nach öffentlichem Raum manifestieren, zu Reflexion und Diskussion anregen und zur Aktion aufrufen.

Im südöstlichen Sor Juana Inés de la Cruz beispielsweise entstand ein Wandgemälde, das die Namensgeberin des Viertels, eine mexikanische Nonne und Dichterin, darstellt und die Betrachter*innen mit der Frage anspricht: „Te imaginas si fueramos más?“ („Stellst du dir vor, wie es wär, wenn wir mehr wären?“). Dazu verfassten Workshop-Teilnehmende folgenden Text und bezogen sich damit auf die bisherigen Erfolge ihres lokalen Nachbarschaftskollektivs: „Somos una comunidad que lucha por una colonia digna, segura y con mejores servicios públicos. Con el esfuerzo de la organización colectiva hemos logrado: La construcción de la primaria, la telesecundaria y el parque soneto (y su rehabilitación), la pavimentacion de 9 calles y proximamente el foro al aire libre…y 2 calles más….” („Wir sind eine Gemeinschaft, die für ein würdiges, sicheres Viertel mit besseren öffentlichen Dienstleistungen kämpft. Durch die Anstrengung der kollektiven Organisierung haben wir erreicht: den Bau der Grundschule, die Telesecundaria-Fernschule, den Soneto-Park (und seine Sanierung), die Asphaltierung von neun Straßen und bald das Open-Air-Forum…und noch zwei weitere Straßen…“).

Ein weiterer Schwerpunkt der künstlerischen Arbeit der Perras Bravas liegt auf der Sichtbarmachung von Feminiziden. Dies umfasst die Begleitung von Familien ermordeter Frauen und Mädchen im Strafprozess sowie den Kampf gegen das Vergessen und die Normalisierung von sexualisierter Gewalt. Das Straßenbild des Stadtzentrums ist gespickt von schwarzen Kreuzen auf pinkem Untergrund, die an Feminizide in dieser Zone erinnern. Der Ausruf „Isa Vive“ („Isa lebt“) ist schmerzlich präsent und erinnert an die Ermordung der Aktivistin Isabel Cabanillas 2020. Gemeinsam mit der Familie der 2022 ermordeten Johanna Jessenia entwarfen die Perras Bravas ein Wandgemälde der 17-jährigen Johanna. Es greift Leidenschaften und Interessen von Johanna auf und fordert Gerechtigkeit in Form der Aufklärung ihrer Ermordung.

Den partizipativen Aspekt von Straßenkunst machte das Kollektiv 2022 deutlich, als es zur Gestaltung einer Ausstellung im Kunstmuseum „Museo de arte de Ciudad Juárez“ eingeladen wurde. Um den Charakter ihrer Kunst nicht zu verlieren und diversere Lebensrealitäten aufzuzeigen, luden die Perras Bravas Bewohner*innen von Juárez ein, um die Museumswände gemeinsam mit Paste-ups zu gestalten. Auch unsere Wand am Edificio de los Sueños füllt sich im Laufe des Vormittags mit klebrigen und farbenfrohen Paste-ups zu Themen, die unseren Aktivismus und Ciudad Juárez charakterisieren.

Von Luisa

Weitere Infos:

Dokuserie: https://youtu.be/TVGR4ZzdmGA?si=4MavxeunMHztfFct

Youtube Kanal: https://youtube.com/@bravascolectiva702?si=-oyiHpvLikSAXV3L

Instagram: https://www.instagram.com/perras.bravas/?hl=es

Zum Namen des Kollektivs: „Perras Bravas“ kann auf Deutsch in etwa als „wütende/mutige/wilde Hündinnen“ übersetzt werden

Protest durch Kunst – Paste-Ups mit den Perras Bravas

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