10.-23. August 2001
Unsere Fahrt nach Russland soll zwei Themenschwerpunkte haben: Einerseits wollen wir und die heutige politische Situation in Russland ansehen, zum anderen möchten wir uns ansehen, welchen Umgang man in Russland mit der Sowjetunion gefunden hat.Seit dem Amtsantritt Putins hat sich die politische Lage in Russland stark verändert. Gab es unter Jelzin ein offen mit korrupten Clans verwobenes autoritäres Regime, so wurden unter Putin mit dem Ziel, Korruption und mafiöse Strukturen zu zerschlagen; der Staat zentralisiert und die Macht des Präsidenten auf Kosten der Regionen gestärkt und damit der Autoritarismus weiter institutionalisiert und ausgebaut. Doch interessiert das vor Ort überhaupt jemanden außerhalb einiger Organisationen?
Im Zusammenhang mit der Stärkung der russischen Zentralmacht steht die Zerschlagung separatistischer Bewegungen, beispielsweise in Tschetschenien. Auffällig ist hier der Zeitpunkt des Konflikts: er kam genau richtig, um Putins Popularität vor der Präsidentschaftswahl zu steigern. Welche Rolle spielen hier propagandistische Erwägungen seitens der Regierung; sollte hier einfach der starke Staat inszeniert werden? Welchen Stellenwert hat in Russland der Rassismus gegenüber den ”Schwarzen” (Kaukasier)? Gerade während der Bombenanschläge auf Wohnhäuser etc. 1999 war selbst die rechtliche Situation von Asylbewerbern in Deutschland noch sicherer als die von Kaukasiern in Moskau.
Unser zweiter Themenschwerpunkt soll die Grundlagen der Gesellschaft erforschen, die wir heute vorfinden. Unser Partner, die Organisation Memorial ,war im Tschetschenienkrieg die einzige wahrnehmbare Stimme aus Russland, die mit Berichten aus Tschetschenien gegen den allgemeinen Kriegstaumel stand. Damit bleibt sie ihrer Tradition treu: Sie ist die Sammlung von Menschen, die schon zu Sowjetzeiten die herrschenden Verhältnisse kritisiert hat und Forschung zu Repression und Lagern betreibt sowie eine große Sammlung von Samsdat-Schriften (in Kleinstauflagen von Hand vervielfältigte Untergrundschriften) besitzt und erforscht. Hierbei interessiert uns, inwieweit das sowjetische Repressionssystem heute überhaupt Gegenstand öffentlicher Kritik ist, wie also das sowjetische Erbe heute wahrgenommen wird: Nur als die historische Phase, in der Russland als eine von zwei Weltmächten seinen größten nationalen Ruhm hatte oder als einen in fortschreitendem Autoritarismus gescheiterten Aufbruch in eine bessere menschliche Zukunft?
Unser Programm wird zu einem großen Teil aus Gesprächen bestehen: Neben Memorial haben wir guten Kontakt zu einigen theoretisch sehr versierten AnarchistInnen – die in Russland noch viel rarer sind als schlaue Linksradikale in Deutschland -, mit denen wir unsere Fragen diskutieren möchten. Außerdem werden wir uns mit VertreterInnen verschiedener anderer Gruppen und Organisationen treffen.
Das alles tun wir übrigens keineswegs als AntikommunistInnen oder die Besserwisser aus dem Westen, sondern vor dem Hintergrund unserer marxistischen Kritik an den Verhältnissen, an Staat und Nation und ganz besonders natürlich Deutschland. Und es ist nicht so, dass wir als betreute Gruppe mit unbeweglichem Programm hin fahren. Wir bieten allen Mitfahrenden die Möglichkeit, ihr Leben auch auf der Reise selbst zu gestalten, Gesprächstermine für langweilig zu erklären, selber welche zu vereinbaren und natürlich sich über das Erfahrene auch Gedanken zu machen – oder vielmehr, so etwas erwarten wir auch. Dennoch wird es genügend Zeit geben, sich dem Tourismus zu widmen – Moskau und Petersburg lohnen sich da sehr. Wer allerdings nur eine gute Gelegenheit sucht, mal billig nach Moskau und Petersburg zu kommen, wird die Fahrt zu anstrengnd finden.
Zeit: Ca. vom 10. bis 23. August 2001. Wir werden zunächst nach Moskau und dann weiter nach St. Petersburg fahren. Der Teilnahmebeitrag wird zwischen 450 und 650 DM betragen, je nach den Komfortwünschen der Teilnehmenden. Darin sind die Fahrtkosten (Bahnfahrt, ab Berlin ca. 32 Stunden pro Richtung), Unterkunft sowie Vor- und Nachbereitung enthalten.
Info: russland@iak-net.de